Management-Modelle für NPO

Analyse und Gegenüberstellung von Management-Modellen für im Sozialbereich tätige Institutionen

Von Management-Modellen erhofft man sich eine Unterstützung in der Gestaltung effektiver bzw. effizienter Planungs-, Ablauf- und Entscheidungsprozesse. Vier, zum Teil spezifisch für im Sozialbereich tätiger zweck-/zielorientierter Institutionen, insbesondere NPO entwickelte Management-Modelle werden beschrieben und verglichen. Weil sie praktikabel und operational sind, logisch klingen und auch Allgemeingültigkeit suggerieren, sind Management-Theorien attraktiv. Jedoch sind die meisten der Postulate, Aussagen und Vorschläge der Management-Theorien allgemein gehalten und somit für spezifische Branchen unpräzise. Die Vertreter solcher Theorien schöpfen vor allem aus ihrer praktischen Erfahrung im Organisationsalltag, womit sie zentrale Probleme anschneiden. Management ist grundsätzlich eine Animationsaufgabe, die man nicht einfach abarbeiten kann. Ein wichtiger Bestandteil ist, einen gewissen Schwung und eine signifikante Dynamik in der Organisation zu erzeugen. Dieser «Qualitätsentwicklungsansatz» besteht aus einer bestimmten Vision und nicht aus dem Abarbeiten vorgegebener Lösungstheorien. Weniger entscheidend ist, an welcher Stelle man zu managen beginnt, als dass diese Dynamik in der Organisation ausgelöst wird. Management sollte nicht als starres System verstanden werden, sondern als ein sich ständig verändernder Prozess. Gesucht sind Strukturen, die einladend und transparent für einsatzbereite Mitarbeitende gestaltet sind und die erforderliche Vielfalt und Flexibilität ermöglichen. Die Management-Literatur bietet unterschiedliche Modelle mit unterschiedlichem Abstraktionsgrad, Ausrichtung und Aussagegehalt. Dabei wird der Modellbegriff sehr heterogen verwendet. Auf Modelle aus dem Bereich des Public Managements wird hier verzichtet, obschon in vielen Fällen keine sinnvolle Trennung zwischen einer Welt des Managements von öffentlichen Organisationen und derjenigen von NPO oder sozial engagierten Organisationen gezogen werden kann. Ganz allgemein arbeiten eine grosse Anzahl von NPO und sozialen Organisationen in der Schweiz und in Europa im Auftrags- und Abhängigkeitsverhältnis der öffentlichen Hand.

In Anlehnung an die Analyse von Schneider/Minnig werden im Folgenden vier Modelle betrachtet, die davon ausgehen, dass die jeweiligen (Profit- und Nonprofit-) Organisationen zweck- oder zielgerichtet sind: das in den Achtzigerjahren in Freiburg i. Üe. speziell für NPO entwickelte, später in einer adaptierten Version weiterentwickelte «Freiburger Management-Modell für NPO», das neue «St. Galler Management-Modell», das erst in den letzten Jahren entwickelte sog. «Darmstädter Management-Modell» und das sich zurzeit in Entwicklung befindende «Luzerner Managementmodell für den Sozialbereich».

Freiburger Management-Modell für NPO

Das Freiburger Management-Modell für NPO wurde aus dem Bedürfnis heraus entwickelt, die Übertragbarkeit von Management-Modellen auf die spezifischen Bedürfnisse des Managements von NPO zu erreichen. Als Grundthese des Freiburger Management-Modells postulieren die Autoren: «Da jedoch Profit- und Nonprofit-Organisationen nur in grundsätzlichen Eigenschaften gleich, in anderen aber ungleich sind, so sind der Übertragbarkeit von Erkenntnissen der (Profit-)Management-Lehre auf Nonprofits offenbar Grenzen gesetzt. Deshalb ist die Management-Lehre von Nonprofit-Organisationen als besondere Betriebswirtschaftslehre zu konzipieren [...].» Es verfolgt eine Input-Output-Orientierung, die das Modell durchzieht und prägt. Das Freiburger Modell legt sich auf Gestaltungsempfehlungen fest und ist anwendungsorientiert. Die Autoren weisen darauf hin, dass sowohl die Mitgliederwerbung als auch das Rekrutieren von Freiwilligen genauso gezielte Anstrengungen benötigen wie die Beschaffung von professionellem Personal. In das Modell, welches damit ein anderes Bild vom Management als die herkömmlichen, vermittelt, findet auch die spezifische Entscheidungskultur von NPO, bspw. mit den insbesondere in der Schweiz hoch entwickelten föderalistischen und konsensorientierten Vernehmlassungs- und Entscheidungssystemen, Eingang. Nach Schneider/Minnig ist das Modell für wissenschaftliche Zwecke nur bedingt geeignet, da der wissenschaftliche Apparat und die (empirischen) Belege für die aufgestellten Behauptungen fehlen.

St. Galler Management-Modell

Das St. Galler Management-Modell verwendet Systemdenken bzw. Kybernetik in unterschiedlicher Weise. Es sucht zunächst mit seiner Konstruktion, die Ganzheit aller für die Unternehmensführung wesentlichen Gesichtspunkte zu erfassen. Sechs zentrale Begriffskategorien werden im neuen St. Galler Management-Modell auf der Grundlage des skizzierten Systembegriffs unterschieden: Umweltsphären, Anspruchsgruppen, Interaktionsthemen, Ordnungsmomente, Prozesse, Entwicklungsmodi. Diese sog. Grundkategorien beziehen sich auf zentrale Dimensionen des Managements. Aus unternehmenspraktischer Sicht lässt sich die Führung eines Unternehmens nicht als rein ökonomisch zu betrachtender «Bündel» von Prozessen darstellen. Grundsätzlich sind immer soziale, politische, gesellschaftliche, rechtliche, naturwissenschaftliche und nicht zuletzt ethische Überlegungen mit einzubeziehen. Kybernetische Ansätze sehen das Grundproblem des «Managements» in der Beherrschung von Komplexität und fokussieren auf die Gestaltung und Steuerung von ganzen Systemen. Die Eigenlogik des Systems und die Problematik der gezielten Steuerbarkeit von Organisationen, verstanden als soziale Systeme, stellen selbstreferentielle Ansätze in den Vordergrund. In und für soziale Organisationen erlaubt das St. Galler Management-Modell die analytische Strukturierung vieler Management-Probleme und der Führung, Handlungsansätze abzuleiten und zu evaluieren. Die Verantwortlichen entwickelten das Modell durch Einbezug neuer Erkenntnisse weiter und passten es den Dynamiken einer sich rasch verändernden Unternehmensumwelt an. Zentrale Bestandteile des Modells wurden neue Entwicklungen und Erkenntnisse wie das Qualitätsdenken, Business Engineering und Prozessdenken und die Organisationsentwicklung. Das gilt ebenso für Aspekte wie das Stakeholder-Management oder die Dimension und das Ordnungsmoment des gemeinsamen ethisch-normativen Sinnhorizonts in der Kultur.

Der Begriff der Organisation ist im St. Galler Management-Modell weiter gefasst als der Begriff der Unternehmung. Andere arbeitsteilige Institutionen wie das IKRK, Spitäler, öffentliche Verwaltungen, kirchliche Organisationen, Gewerkschaften oder Fussballvereine sind ebenso eingeschlossen. Schneider/Minnig merken kritisch an, dass das St. Galler Modell (wie andere Modelle) offenkundig auf einer auf Porters Wertkettenkonzept oder älteren Prozessvorstellungen basierenden generellen Prozesslogik aufbaut. Weil sie alle gleichermassen vom Grundmodell der autonomen Einzelfirma ausgehen, gelingt die Kunst der Verbindung von Marktlogik und Bedarfslogik mit dem St. Galler Modell kaum besser als mit anderen Modellen. Zwei neuere Modellansätze sind in den letzten Jahren an Fachhochschulen in Deutschland und der Schweiz entstanden, offensichtlich mit der Absicht, für Weiterbildungsprogramme einen konzeptionellen Rahmen zu finden. Die beiden Modelle werden in der Fachliteratur noch wenig besprochen, da sich beide noch in der Entwicklungsphase befinden.

Luzerner Management-Modell für den Sozialbereich

Das Luzerner Management-Modell für den Sozialbereich setzt das Sozialwesen als Funktionssystem (Funktion auf einen Zweck hin) voraus und folgert, dass sich Funktionssysteme durch die Leitdifferenz System-Umwelt und entlang von Funktionen und Strukturen entwickeln. Aus dieser Logik heraus identifiziert das Modell vier für das Sozialwesen charakteristische zentrale Entwicklungsbereiche, entlang derer sich das Sozialwesen weiterentwickelt: 1. Soziale Problematik: «Fokus: gesellschaftlicher Problemdiskurs oder die Art und Weise, wie soziale Probleme öffentlich thematisiert werden.» 2. Professionelle Leistungen: «Fokus: Beschreibung mehrheitlich schwieriger Rahmenbedingungen, welche die sozialpolitische Steuerung in der Schweiz prägen.» 3. Sozialpolitische Steuerung: «Fokus: aktuelle Anforderungen, die sich den sozialen Einrichtungen stellen, die professionelle Leistungen erbringen.» 4. Versorgungsverhältnisse: «Fokus: Fragen, die sich bei der Kooperation der sozialen Einrichtungen in einem bestimmten Aufgabenfeld wie bspw. der Suchthilfe oder dem Behindertenbereich stellen.» Verschiedene Management-Modelle werden vor diesem Hintergrund fokussiert und auf ihre Tauglichkeit für das Sozialwesen untersucht. Auffällig ist die Tatsache, dass durch die Autoren hauptsächlich deutschsprachige Literatur aus dem Sozialmanagement-Bereich herangezogen wird. Aus dem angelsächsischen Sprachraum sind Entwicklungen zumindest nicht sichtbar. Die Überlegungen, die aus dem Kompetenzzentrum Soziale Arbeit und Ökonomie der Hochschule Luzern hervorgegangen sind, tragen Züge eines Denk- und Umsetzungsmodells im Bereich des Managements sozialer Einrichtungen, obwohl sie bisher nicht als Modell benannt oder beschrieben wurden. Dass das Luzerner Modell aus der einzelbetrieblichen Perspektive herauswächst, welche die anderen bereits besprochenen Modelle kennzeichnen, erscheint an diesem Ansatz interessant. Das System, das zunächst für die Schweiz entwickelt wurde, scheint in seinen Grundannahmen auch auf andere Länder übertragbar zu sein.

Darmstädter Management-Modell

Das Darmstädter Management-Modell hat sich aus der Praxis der Studiengänge der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt entwickelt. Wegen der Unklarheiten des Begriffs des Sozialmanagements wird dort der Begriff des «Management in Sozialen Organisationen» verwendet. Neben sozialtechnokratisch, gruppendynamisch, sozialpolitisch und sozialwirtschaftlich orientierten Konzepten versteht sich das Darmstädter Management-Modell als fünftes Modell. U. a. ist die Integration eines ethisch begründeten Personenbildes ein Anliegen des gleichnamigen Masterstudiengangs. Gemäss eigener Erklärung ist das Darmstädter Modell darauf ausgerichtet, eine Verbindung herzustellen zwischen sozialtechnokratischen, gruppen- bzw. interaktionsdynamisch orientierten und innovationsorientierten, sozialpolitisch ausgerichteten Konzepten. Damit soll eine vierte Richtung zur Integration betriebswirtschaftlicher und sozialarbeiterischer Themenstellungen im Begriff der Sozialwirtschaft eingeschlagen werden. Die zentrale Grundannahme ist die Notwendigkeit, in einem Dreiklang aus Organisationsanalyse (Praxis und Reflexion), Wissenschaft (Theorien und Analysen) und der Persönlichkeitsentwicklung eine Management-Qualifizierung auf verschiedenen Lernebenen anzusiedeln. Voss bietet eine Auswahl neuer Ansätze, wenn er im Rahmen des Darmstädter Management-Modells von einem hoch entwickelten Commitment des Vorgesetzten gegenüber den Untergebenen schreibt. Vorgesetzte müssen die Autonomie der Untergebenen aushalten und diese ohne Statusangst fördern. Sie sollen die Kritik regelrecht herausfordern und nicht nur hinnehmen. Zudem sei eine «Aufwärtsdelegation» zu fördern und zu vermeiden, die Aufgaben nur auf die Freiwilligen abzuladen. Voss weist auch darauf hin, dass Vorgesetzte bewusst (eigene und fremde) Fehler akzeptieren und als wichtige Lernchance sehen und eine «Fehlerfreundlichkeit» entwickeln sollten. Im Bereich der Management-Ausbildung basiert das Modell auf Erfahrungen der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt und kritisiert, dass herkömmliche Management-Modelle das komplexe organisationale Geschehen ausblenden und häufig bei der Anwendung von Instrumenten stehen bleiben. Da der Modell-Inhalt nicht primär auf der Beschreibung und Strukturierung des Modells einer sozialen Organisation oder Unternehmung basiert, sondern primär vier Lernebenen (Lernende Organisation, Erkenntnisse aus Wissenschaft und Theorie) und drei Lernfelder (Theorie und Praxis des systemischen Managements, Führungskompetenzen im Management, Sozialwissenschaftliche Grundlagen) darstellt, die im Rahmen eines gemeinsam entwickelten Lernkonzepts für eine Management-Ausbildung für soziale Organisationen definiert und erklärt werden, ist das Darmstädter Management-Modell nur beschränkt mit den bereits beschriebenen Modellen vergleichbar.

Zusammenfassung

Die Vertreter dieser Theorien schöpfen vor allem aus ihren praktischen Erfahrungen im Organisationsalltag, womit sie zentrale Probleme anschneiden. Stellt man die Management-Modelle gegenüber, ist zu erkennen, dass alle Modelle unterschiedliche Stärken und Schwächen aufweisen: Machbarkeit für kleinere und mittlere NPO verspricht das Freiburger Modell. Dieses entspricht dem Zeitgeist, indem man grundsätzlich «managen» kann, wenn man Terminologie und Philosophie des Modells anwendet. Das St. Galler Modell, basierend auf dem Modell «Systemorientiertes Management», abstrahiert zunächst stärker als üblich Unternehmung und Führung. Nicht mehr unmittelbar durch Systematisierung praktischer Erfahrungen werden Führungssysteme gewonnen, sondern entwickelt auf der Basis formaler Modelle. Für viele Praktiker mag dieser Umweg über die «Theorie» schwer verständlich sein, und er schliesst in der Tat die Gefahr in sich, dass Theoretiker letztlich unbrauchbare Modelle entwickeln und perfektionieren. Zu lösen ist dies nur, indem die Führungskräfte selbst die Denkweise und das Instrumentarium des Systemansatzes beherrschen, was wiederum nur durch seriöse, aber praxisbezogene Ausbildung erreicht werden kann. Zum Luzerner Modell kann kritisch angemerkt werden, dass, zumindest im vorliegenden Abstraktionsgrad, die föderalistischen und konsensorientierten Vernehmlassungssysteme und spezielle Finanzierungsmechanismen und -möglichkeiten nicht sichtbar werden. Der momentane Mangel an Information verhindert eine verfeinerte Analyse des Modells, obwohl die im Luzerner Modell gegebene neue Perspektive einen sehr interessanten Zugang erlaubt. Das Darmstädter Modell lässt erkennen, dass die Persönlichkeit des Managers und dessen Ausbildung eine entscheidende Rolle spielen, während das Freiburger Modell stärker die Besonderheiten der NPO hervorhebt. Nach Schneider und Minnig besteht die Gefahr, dass der Eindruck entsteht, dass das Darmstädter Modell eine relativ stark verzerrte und befangene Grundhaltung auf der psychologisch-soziologischen Seite des Managements aufweist (aus der Perspektive der eigenen Kultur heraus). Es fehlte auch eine konkrete Darstellung des Gesamtmodells, in welchem navigiert wird. Zudem existiert sehr wenig öffentlich zugängliche Literatur. Das Darmstädter Modell kann deshalb nur in den Grundzügen diskutiert werden. Für alle vier betrachteten Management-Modelle lässt sich abschliessend feststellen, dass sie eine ganzheitliche Betrachtungsweise für die Analyse, Synthese und das Herausarbeiten von Handlungsvorstellungen im Kontext des Managements von sozialen Organisationen einbringen und wertvolle Teilelemente bieten, mit denen man sich an die Funktionen des Managens herantasten kann.

Kritische Würdigung

Die vier beschriebenen Management-Modelle sind nur bedingt miteinander vergleichbar. Sie reklamieren alle einen unterschiedlichen Verwendungszweck oder eine spezifische Ausrichtung auf bestimmte Teilbereiche innerhalb der Tätigkeit produktiver Organisationen und besitzen alle eine eigenständige Entwicklungsgeschichte. Welches Modell sich generell mehr oder weniger eignet, ist daher nicht die Frage; es geht eher darum, welches Modell für welche konkrete Fragestellungen Antworten liefert. Die Modelle sind daher eher sinnvolle und wertvolle Ergänzungen im Versuch, die Realität des Management-Alltags von sozial engagierten Organisationen darzustellen und dafür konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten, als Substitute. Alle haben den Anspruch, die Wirklichkeit der Management-Situation systemisch, d.h. umfassend mit allen wesentlichen Umwelt-, Systemelementen und -beziehungen darzustellen.

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