Führung in Krisenzeiten

Soziale Einrichtungen auf der Suche nach dem richtigen Rezept

Durch die Ökonomisierung der Pflege- und Betreuungs-Tätigkeit sowie der Spezialisierungs-Tendenzen bezüglich Klienten, Personal und Infrastruktur gewinnen betriebswirtschaftliche Grundsätze an Relevanz. Effizienz und Qualität haben einen immer höheren Stellenwert. Hinzu kommt ein permanenter Druck, sich den sich ändernden gesellschaftlichen, technologischen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Unbestritten sind der Fachkräftemangel, sowie ein Generationenwechsel in Fach- und Führungsfunktionen mit einer markanten Fluktuationsrate auf geschäftsleitender Ebene.

Informelle Führungsimpulse

Die Phase zwischen dem Erkennen von Problemen und der Entwicklung und Durchsetzung passender Lösungen ist typischerweise eine Phase hoher Unsicherheit. Und diese Unsicherheit über das richtige Handeln erzeugt unkonventionelle Führungsansprüche. In Krisenzeiten, in denen sich die Entscheidungslasten ballen, wird deutlich, dass Führungsimpulse nicht nur von Hierarchien kommen, die üblicherweise dafür zuständig wären. Stattdessen wird (im Sinne von Führung) dort Einfluss geltend gemacht, wo die Unsicherheit über das richtige Handeln bzw. das Zögern zu gross wird und die Weisungen «von oben» fehlen oder fraglich sind. Wenn keine passenden Arbeitsanweisungen zur Verfügung stehen, wird der Führungsimpuls durch informelle «Macht» durchgesetzt. Denn wo der Bedarf an Orientierung gross ist, ist die Erleichterung über Lösungen umso grösser. Und damit auch die Bereitschaft, die organisatorischen Regeln grosszügiger auszulegen oder zu ignorieren. Kommt es zu Widersprüchen mit bereits bestehenden Strukturen, liegt es schliesslich am Resultat mikropolitischer Auseinandersetzungen um Führungsansprüche, ob eine Neuordnung gelingt. Denn Führung bleibt auch nach der Krise unverzichtbar.

Führen kann und muss erlernt werden

Im Bereich der Führung spielt die Motivation eine immer grössere Rolle. Eine hohe Führungsqualität bzw. -erfahrung ist gefordert, zumal die Pandemie eine ausgeprägte Flexibilität der Einsatzorganisationen erforderlich macht. Neben der Leitung in arbeitsrechtlicher und fachlicher Hinsicht versucht die Personalführung, Motivationshemmnisse abzubauen und eine möglichst umfassende Identifikation mit den Aufgaben und dem Leitbild der Organisation zu realisieren. Die Führungskraft ist als unternehmensinterner Coach wichtiger Bestandteil der Personalentwicklung und muss - je nach Hierarchiestufe - auch in der Managemententwicklung eine aktive Rolle einnehmen (können).

Führungsverhalten und Führungsstil

Das Führungsverhalten bezieht sich auf die Entscheidungen und Weisungen einer Führungsperson, die in hohem Masse von der aktuellen Situation abhängig sind. Es ist somit der situative Aspekt des Führungsstils. Der (autoritäre, kooperative, usw.) Führungsstil bezieht sich auf die dem Verhalten zugrunde liegenden Bedürfnisse, die über verschiedene Situationen hinweg (relativ) stabil bleiben, und das Verhalten in unterschiedlichen Situationen motivieren. Die «direkte Autoritätslinie» ist die Weisungsfolge top-down. Von der Spitze einer Organisation bis hin zur untersten Ebene ist klar, wer wem untersteht. Bottom-up stellt die gegenteilige Richtung dar und die down-up-Planung beschreibt den Parallelverlauf beider Richtungen gleichzeitig oder in Wechselwirkung. Die Weisungsfolge übt Einfluss auf das Mitbestimmungsrecht von Mitarbeitenden aus und bedeutet, dass diese, z.B. im Sinne einer demokratischen Beteiligung, je nach Weisungsfolge, partizipativ oder kooperativ mitwirken können, die Ziele ihrer Organisation zu erreichen. Sie können sowohl an der Entwicklung als auch an der Umsetzung von Zielen beteiligt sein, ebenso an der Gestaltung ihres Aufgabenprofils und ihres Arbeitsumfangs. Dies stärkt die Anbindung an die Organisation, die Mitarbeitenden fühlen sich beteiligt und mit der Idee verbunden.

Hierarchie versus Selbstbestimmung

Im Gegensatz zu herkömmlichen Management-Modellen ziehen Agilitäts-Konzepte die (Neu-)Gestaltung der informellen Hierarchie vor, mit der Intention, die Eigenmotivation der Mitarbeitenden besser zu nutzen, mehr Dinge in Bewegung zu bringen und diejenigen in Führung zu bringen, denen andere folgen - eine machtfreie Organisation, in der Mitarbeitende (vollkommen) selbstbestimmt arbeiten und allen anderen gleichgestellt sind. Starre Hierarchiemuster aufzubrechen ohne ein minimales Mass an Hierarchie funktioniert aber auch in einer Welt des Dauerwandels nicht. Agilitäts-Modelle setzen informelle Einflüsse nicht ausser Kraft, denn informelle Strukturen sind verborgen, nicht (immer) allen klar und intransparent. Sie sind anfällig für Intrigen und Korruption und können von Charismatikern bzw. versierten Kommunikatoren dominiert oder missbraucht werden. «Schuld» ist weniger das System, sondern der Mensch. Wenn es darum geht, schnelle Entscheidungen herbei zu führen, Rollenklarheit zu schaffen oder Konflikte zu befrieden, können formale Hierarchien durchaus nützlich sein.

Experimentieren mit Strukturen

Die krisenbedingt erhöhte Ungewissheit und Unsicherheit erzwingen den Umgang mit Komplexität. Die Ungewissheit anzunehmen, führt zu einer veränderten Sichtweise und kann einen Paradigmenwechsel in Management und Führung ermöglichen und zu wesentlichen Veränderungen in den Organisationen führen. Besonders geeignet erscheint das Experimentieren mit Strukturen, die den Mitarbeitenden den Raum geben, eigene Lösungen für komplexe Fragen zu erarbeiten. Die Organisation quasi so zu gestalten, dass Räume der Ungewissheit entstehen. Wie Führungskräfte und Mitarbeitende mit diesem gleichermassen befreienden wie auch fordernden Rahmen umgehen, muss sich in der täglichen Arbeit erweisen. Die Intention ist, dass mehr Freiraum zu mehr Solidarität und Verbindlichkeit führen kann. Eine gute Gelegenheit, um Führung neu zu denken.

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